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Schlechte Netzqualität wird in Zukunft zunehmen

14. Juni 2022

Mangelhafte Netzqualität stellt ein Risiko für Industrieunternehmen dar, da sich diese insbesondere mit fortschreitender Energiewende vergrössern wird, weiss Sven Wyss, Teamleiter Services der Staveb Automation AG. Misst Staveb die Netzqualität, sollten sich Strom und Spannung idealerweise in einer Sinuskurve darstellen lassen. Ist dem nicht so, können geeignete Massnahmen Abhilfe schaffen und Anlagenausfälle verhindern.

Alle Systeme, die mit Leistungselektronik ausgestattet sind, beeinflussen die Netzqualität, da durch sie Oberschwingungen entstehen. Auf der anderen Seite reagieren dieselben Systeme zum Teil recht empfindlich auf diese Schwingungen. Es kommt zu Fehlfunktionen, die zu Abschaltungen durch Schutzeinrichtungen und zu Prozessunterbrechungen führen. Gerade bei infrastrukturrelevanten Einrichtungen sowie Produktionsbetrieben sind Ausfälle aufgrund schlechter Netzqualität besonders problematisch. Deshalb ist es wichtig, die Netzqualität in einem Betrieb regelmässig zu überprüfen.  

„Wie massiv die Netzqualität die Produktionsabläufe und Ähnliches beeinflussen kann, hängt von der Höhe der Kurzschlussleistung des Netzes ab. Besonders durch die Energiewende kann die Netzqualität negativ beeinflusst werden, da viele dezentrale Stromerzeuger und Kleinkraftwerke Strom in das Netz einspeisen. Dadurch wird die Kurzschlussleistung kleiner und die Einflüsse der Oberschwingungsströme auf die Spannung nehmen zu“, so Wyss. Wyss geht davon aus, dass in Zukunft die Spannung im Stromnetz schlechter wird. Gerade wenn bei Anlagen häufig Kondensatoren ausfallen, liegt der Verdacht von zu hohen Oberschwingungen nahe. Ist eine SPS-Steuerung immer wieder defekt, kann dies ebenfalls durch diese Störquellen beeinflusst sein. „Das Thema Netzqualität wird jedoch bei vielen Unternehmen nicht direkt erkannt und wird vielmehr oft als Qualitätsmangel der Produkte angesehen. Aus diesem Grund handelt es sich hierbei eher um ein verstecktes Thema, welches aber deutliche Auswirkungen auf die Produktivität haben kann“, so Wyss. Eine aktive Prüfung der Netzqualität seitens der Kunden sorgt also für eine zuverlässige Funktion der eingesetzten Systeme.

„Jede Anlage, in die ein Gleichrichter integriert wurde, beeinflusst die Netzqualität durch Oberschwingungen negativ. Jeder PC, jedes Netzgerät, jede LED-Beleuchtung oder jeder Frequenzumformer generiert also einen Strom, der störend wirkt und nicht sinusförmig abgebildet werden kann. Wird der Anteil des Stroms mit hohen Oberschwingen zu hoch, hat dies auch negative Auswirkungen auf die Spannung“, so Wyss und führt weiter aus: „Der Verbraucher bezieht Strom von einem Trafo, der wiederum Strom vom Kraftwerk erhält. Dabei werden alle Komponenten, die dazwischen verbaut sind, belastet. Besteht dieser Strom aus einem hohen Anteil an Oberschwingungen, wird dadurch die Spannung, welche vom Trafo verteilt wird, ebenfalls mit Oberschwingungen versehen. Diese Oberschwingungen belasten nun nicht nur die Komponenten zwischen den Verbrauchern und dem Trafo, sondern alle Komponenten, welche am besagten Trafo angeschlossen sind.“

 Verbraucher, die den Strom negativ beeinflussen, müssen daher eliminiert oder kompensiert werden. „Jeder Elektromotor der direkt an das Stromnetz angeschlossen wird, beeinflusst die Netzqualität nur leicht. Die Oberschwingungen treten in diesem Fall so gut wie nicht auf. In dem Moment aber, wo der Motor mit einer Softstarter oder einer Drehzahlregulierung ausgestattet ist, wird die Spannung gleichgerichtet. Dann wird es in der Regel unschön. Besonders grosse Frequenzumformer haben einen massiven Einfluss auf die Netzqualität“, erläutert Wyss. In den technischen Datenblättern der Frequenzumrichter ist oft die Angabe Total Harmonic Distortion Strom (THDi) zu finden. Hierbei handelt es sich um die Summe der harmonischen Oberschwingungsströme. Diese Kennzahl beschreibt die Anteilsgrösse, die durch nicht sinusförmige Verzerrungen eines Stroms entsteht. THDi steht also für das Verhältnis des Effektivwertes aller Oberschwingungen zum Effektivwert der Grundschwingung des Stroms. Bei einem Frequenzumformer liegt die THDi zwischen 40 und 60%. Dies bedeutet, dass bei 100 A Nennstrom 40 bis 60 A Oberschwingungsstrom hinzukommen. Bei günstigen Frequenzumrichtern liegt der THD oftmals bei 100 bis 120 %. Alternativ können stattdessen Low Harmonic Drives eingesetzt werden, bei denen eine Oberschwingungsdämpfung in den Frequenzumrichter integriert ist und somit nur noch einen THDi von rund 5% erzeugt.

Allerdings lässt sich der Einfluss des Frequenzumformers auf die Spannung nicht pauschal bestimmen, da dieser von der Zuleitung, der Leitungslänge und deren Querschnitt, der Trafogrösse sowie der Anzahl der an einen Trafo angeschlossen Verbraucher und deren Last abhängt. Über Messungen seitens Staveb lässt sich die Netzqualität bestimmen. Dabei werden zudem auch die Wirk-, Blind- und Scheinleistung, die Spannung, der Strom, Cosφ, die Anlaufströme, die Oberschwingungen, Flicker als auch das Rundsteuersignal gemessen und analysiert. „Anhand dieser Ergebnisse können wir Gegenmassnahmen definieren. Die einfachste Massnahme kann der Tausch des Frequenzumrichters sein. Auch der Tausch des Trafos wäre möglich, was aber sehr kostenintensiv ist. Eine weitere gängige Alternative ist der Einbau von Filtern“, beschreibt Wyss mögliche Schritte. In diesem Fall hat der Kunde die Wahl zwischen passiven und aktiven Filtern, um die Oberschwingungen zu reduzieren. Aktive Filter messen den Strom, erkennen die Anzahl der auftretenden Oberschwingungen und kompensieren diese mit einem entgegengesetzten Strom. Sowohl die Messung und die Erarbeitung von Lösungen als auch die Implementierung von Filtern bis hin zu Retrofit der Anlagen ist seitens der Staveb Automation AG möglich.